Die II. Lautverschiebung (5./6.Jh.-15. Jh.)




Entwicklung des deutschen Konsonantensystems

 

Die 1. Lautverschiebung

Die 1. germanische oder gemeingermanische Lautverschiebung, anders Grimmsches Gesetz genannt, widerspiegelt lautliche Korrespondenzen zwischen indoeuropäischen und germanischen Geräuschlauten. Diese Korrespondenzen waren im Jahre 1818 von Rasmus Kristian Rask entdeckt und im Jahre 1822 von Jakob Grimm systematisiert.

Zeit und Ursachen der 1. Lautverschiebung sind unklar. Dieser Wandel im Konsonantensystem hatte sich um Urgermanischen vermutlich im Zeitraum von 2000-1000 v.u.Z. vollzogen. (In einigen anderen Quellen nennt man den folgenden Zeitraum des Verlaufs der 1.Lautverschiebung: Beginn - um 1200, Abschluss - um 500-300 v.u.Z. (Metzler Lexikon)).

Das Vernersche Gesetz (1875)

Das Vernersche Gesetz wurde vom dänischen Sprachwissenschaftler Karl Verner im Jahre 1875 entdeckt. Dieses Gesetz gilt als eine Art Einschränkung für Grimmsches Gesetz. Es besagt folgendes: Die germanischen stimmlosen Reibelaute f, þ, h wurden, ebenso wie der stimmlose Reibelaut s, unter bestimmten Bedingungen zu den stimmhaften Reibelauten b, d, g, bzw. z und fielen so mit den aus indoeuropäischen bh, dh, gh entstandenen b, d, g zusammen.

I. p t k kw + s f þ h hw

Stl. Verschlusslaute

II. b d g gw p t k kw

III. bh dh gh ghw b d g gw + z>r

Sth. Verschlusslaute

Das Grimmsche Gesetz: __ __ `K _ ___ p t k kw > f þ h hw

Das Vernersche Gesetz: _ ` _ __ K _ ___p t k kw + s > b d g gw + z>r

___ __ K _ _ ` _

рус. св ёк ор ( ` k _) – Gg – got. swai h ra, ahd. swe h ur

рус. све к р о вь (_ k `) – Vg – ahd. swi g ar

Rhotazismus

In allen schriftlich überlieferten altgermanischen Sprachen außer dem Gotischen wurde germ. z > r. Dieser Prozess heißt Rhotazismus. Daher wechseln je nach den ursprünglichen Akzentbedingungen die Laute s und r, wie z.B. in den Grundformen des Verbs:

ahd. forlio s an – forlo s – forlo r um – forlo r an (Rhotazismus)

ahd.was – warum

germ. iz (lat. is) = got. is, ahd. ir

got. dius – as. dior – ahd. tior “Tier”

 

Der grammatische Wechsel

Da der Akzent im IE. und im frühesten Urgermanisch frei beweglich war, lag er bald auf dem Wurzelmorphem, bald auf dem Flexionsmorphem bzw. dem affixalen Morphem. Deshalb wirkte das Vernersche Gesetz nur auf einen Teil der Wortformen, Wörter einer Familie. Auf diese Weise entstand in eng zusammengehörigen Formen ein Wechsel zwischen stimmlosen und stimmhaften Konsonanten. Diese Erscheinung wird grammatischer Wechsel genannt.

Der grammanische Wechsel tritt besonders konsequent in den Grundformen einiger starker Verben auf. Man vermutet, dass im Inf. und Prät. Sg. dieser Verben die Betonung früher auf den Stammvokal fiel und deshalb dem Stammvokal ein stimmloser Reibelaut folgte. Prät.Pl. und Part.II hatten die Betonung auf dem Suffix, und hier erscheint ein stimmhafter Verschlusslaut.

Ahd. ziohan – zoh – zugum – gizogan

Ahd. lidan – leid – litum -gilitan

Vgl. auch Beispiele aus dem heutigen Deutsch:

f / b dar b en – bedür f en

germ. þ / d > ahd. (2. LV) d / t schnei d en – schni tt

h / g zie h en – zo g

s / z>r wa r – gewe s en

Die Gemination

Westgermanische Konsonanntengemination (Verdoppelung): Vor folgendem j erscheinen alle einfachen Konsonannten (mit Ausnehme des r) verdoppelt, wenn ihnen ein kurzer Vokal vorangeht. Im Ahd. Ist das j schon meist geschwunden, aber man kann es in gotischen oder altsächsischen Formen finden.

vor j: got. bi dj an as. bi dd ian, ae. bi dd an

Viel seltener gab es im Westgermanischen auch die Gemination vor w, r, l, n, m. Sie hat fast keine Auswirkung auf das Deutsche gehabt:

vor l: рус. я бл око as. a pp ul

vor r: got. a kr s ahd. a k kar

Usw.

Die II. Lautverschiebung (5./6.Jh.-15. Jh.)

Diese Konsonantenverschiebung wird in der Sprachgeschichte die 2. hochdeutsche bzw. althochdeutsche Lautverschiebung genannt. Der Beginn dieser phonetischen Erscheinung gehört zum 5./6. Jh. u.Z. und stammt aus den südlichen Mundarten (aus dem Alemannischen und Bayrischen).

Die 2. Lautverschiebung war etwa um 800 u.Z. in ihren Hauptzügen abgeschlossen, doch drang sie an verschiedenen Stellen auf Grund der ökonomischen, politischen und kulturellen Bewegungen auch in den folgenden Jahrhunderten weiter nach Norden vor und kam erst um 1500 zum Stillstand.

Die 2. Lautverschiebung betrifft die germanischen stimmlosen Verschlusslaute p, t, k und die stimmhaften Verschlusslaute b, d, g. Man unterscheidet somit zwei Stufen der LV.

pf tz (kh) 1. im Anlaut

I. p t kAffrikaten 2. im In- und Auslaut

stl. Verschlusslaute nach einem Konsonanten

Bei der Gemination

ff zz hh 1. im In- und Auslaut

stl. Reibelaute nach einem Vokal

Die 2. Lautverschiebung umfasste nur das Bairische und Alemannische in vollem Maße. Groß war die Intensität der LV auch im Süd- und Ostfränkischen. In den Mitteldeutschen Dialekten verbreitet sich die LV wellenartig in einzelnen Gruppen von Wörtern, so dass neben Wörtern mit verschobenen Konsonanten auch viele Wörter mit unverschobenen Konsonanten weiterleben.

Das Niederdeutsche hat die 2. Lautverschiebung nicht durchgemacht und bewahrte den alten gemeingermanischen Konsonantenbestand.

Die Grenzlinie zwischen dem Hochdeutschen und Niederdeutschen geht von Düsseldorf am Rhein durch Magdeburg an der Elbe bis Frankfurt an der Oder. Es ist die sog. Benrather Linie, benannt nach dem Ort Benrath, südöstlich von Düsseldorf, wo diese Grenzlinie den Rhein schneidet.

 

Sonstige Veränderungen im deutschen Konsonantensystem



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