Probleme der Silbenbildung und Silbentrennung




Da die Silbe eine wichtige Rolle in der Sprache spielt, versuchen die Wissenschaftler seit langem zu verstehen, wie die Silben gebildet werden, warum in verschiedenen Sprachen verschiedene Silbentypen und -modelle verbreitet sind, wie die Silben mit der Wortlänge verbunden sind und Ähnliches.

Für die Erklärung der Silbenbildung wurden zahlreiche Theorien aufgestellt, jedoch keine davon ist richtig praktikabel: Jede hat eine bestimmte Erklärungskraft und viele Schwächen. So wurde, z.B., die Silbenbildung mit der Atmung verbunden (E. Sievers), mit der Muskelspannung (P. Fouchè und M. Grammon), mit der Sonorität der Laute (O. Jespersen und W. Vietor), mit dem Öffnungsgrad des Mundraums bei der Artikulation der Laute (F. de Saussure), mit dem Spannungsbogen der Lautintensität (N.I. Shinkin). Nach einer allgemein akzeptablen Erklärung dieses Phänomens wird jedoch weiter gesucht.

Während die Silbenbildung eine wichtige theoretische Frage ist, gehört die Silbentrennung in jeder Sprache zu aktuellen praktischen Problemen. Mit dieser Aufgabe wird jeder Sprachträger mehr oder weniger oft konfrontiert.

Das Problem der Silbenabgrenzung ist leicht gelöst in den Sprachen, die nur offene oder viele offene Silben haben: Da liegt die Silbengrenze unmittelbar nach dem Vokal. Diese Frage ist jedoch sehr schwer für das Deutsche, wo man bestimmte Regeln für die Trennung mehrgliedriger Konsonantenketten braucht.

Problemlos ist im Deutschen die Abgrenzung der offenen Silben: Die Silbengrenze liegt nach einem langen Vokal: O-fen, U-fer, Schu-le, Blu-me usw.

Stehen mitten im Wort zwei Konsonanten, gibt es auch hier keine großen Schwierigkeiten: Die Silbengrenze liegt zwischen den beiden Konsonanten: fin-den, Aus-gang, Gip-fel, Sil-be, Kin-der.

Komplizierter ist die Trennung von mehrgliedrigen Konsonantenketten: Ärz - te oder Är - zte? Fens - ter oder Fen - ster? Fürch - test oder für - chtest? Konventionell wird in diesen Fällen der letzte Konsonant abgetrennt, also: Ärz-te, fürch-test, Fens-ter, Imp-fung, Kämp-fe usw. Zusammengesetzte Wörter werden jedoch nach ihren Bestandteilen, nicht nach der Zahl der Konsonanten getrennt: Fahr- plan, Feld-blume, Eis-klumpen.

Besonders schwierig ist die Silbentrennung in vielen deutschen Wörtern nach den kurzen Vokalen mit einem nachfolgenden Konsonanten, denn dieser Konsonant wird auf zwei Silben zerrissen: kom-men, Hem-mung, tren-nen. Die deutsche Orthographie hat dafür in den meisten Fällen die Doppelschreibung des Konsonanten. Diese Doppelschreibung könnte leicht den Eindruck erwecken, dass der Konsonant lang ausgesprochen wird. Das ist aber im Deutschen nicht der Fall: Der Konsonant ist kurz. Zwei Buchstaben dienen nur dazu, seine Teilung auf zwei Silben zu ermöglichen. Das ist nur ein orthographisches Ausweichmanöver in einer heiklen Situation, wo man sonst einen Buchstaben halbieren müsste.

Deutsche Phonotaktik

Die Silbenstruktur zeigt alle Möglichkeiten für die Verbindung der Laute in jeder Sprache, das ist eine ihrer wichtigen Aufgaben. Auf dieser Grundlage ist die

P h o n o t a k t i k entstanden – ein Wissenszweig, der die Gesetzmäßigkeiten der Kombinatorik von Phonemen in verschiedenen Teilen des Wortes erforscht. Die Phonotaktik studiert die Verteilung einzelner Laute in jeder Sprache und zeigt, welche Phonemfolgen im Anlaut, Inlaut und Auslaut des Wortes möglich sind.

Die deutsche Phonotaktik lehrt erstens, dass nicht alle Phoneme einer Sprache beim Sprechen gleich oft gebraucht werden. So liegt, z.B., nach G. Meinhold der Anteil der Vokale im Deutschen bei knappen 40%, während die Konsonanten fast 60% aller Laute ausmachen. Die langen Vokale werden dabei viel seltener gebraucht als die kurzen (78% der Laute sind kurz). Unter den kurzen Vokalen sind das reduzierte [ə] mit 20,7%, das [a] mit 17,8%, und das [ı] mit 16% die häufigsten. Der Anteil aller anderen Kurzvokale liegt weit unter 9%.

Unter den Langvokalen sind das [i:] mit 6%, die [e:] und [a:] mit je
5% ebenfalls die häufigsten, während die Quote aller anderen Langvokale bei etwa 2% und weniger liegt.

Die deutschen Konsonantenphoneme verteilen sich im Redestrom auch ungleichmäßig. Zu den häufigsten gehören das [n] mit 15,1%, das [t] mit
14,6% und das [r] mit 12,3%. Der Anteil von [s] und [d] beträgt etwa 8%, alle anderen Konsonanten liegen tief darunter. Das ist, z.B., auf der Computertastatur berücksichtigt: Die häufigen Phoneme liegen im Zentrum der Tastatur, während die weniger häufigen an die Ränder kommen.

Was die Phonemkombinationen angeht, so sind die Verbindungs-möglichkeiten der Konsonanten am Wortende viel reicher als die am Wortanfang. Im deutschen Wortanlaut sind nur 23 zweigliedrige und 6 dreigliedrige Folgen möglich (s. Tab. 5.4 und 5.5).



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