Keine Einigkeit in der Militanzfrage




Als Mugabe im Bett des Solibewegten schlief

Natürlich, sagt Du Mont, habe es immer den Vorwurf gegeben, „dass wir Befreiungsbewegungen glorifizieren“. Und tatsächlich habe man sich manchmal dann die Frage gestellt, auf welcher Seite man eigentlich stand, „wenn Konflikte auftraten, die nicht zu leugnen waren“.

Horst Pöttker erinnert sich an solche Fälle. 1971 war er der erste hauptamtliche Redakteur der Blätter des IZ3W. Der spätere Diktator Simbabwes, Robert Mugabe, durfte damals bei einer Vortragsreise in seinem Bett übernachten, erinnert er sich.

Sein Ressort der Blätter trug den Namen „Medienkritik“. Und das hieß, so erinnerte er sich später: „Fälschungen aufdecken, mit denen die von Profitgier besessenen Medien die imperialistischen Strategien der deutschen Konzerne deckten und rassistische Vorurteile gegen die Völker der Dritten Welt, besonders gegen die Befreiungsbewegungen schürten.“

Im Oktober 1976 erschien die Ausgabe 56 der Blätter, der Titel: „Revolutionäre Gewalt in Indochina“. Auf dem Cover war das Bild eines Khmer mit gezückter Pistole, kurz nach dem Abzug der Amerikaner aus Phnom Penh. Pöttker zitierte, was die verhassten bürgerlichen Blätter zu dem Bild geschrieben hatten. Der Stern schrieb: „Dem Sieg folgt die Rache an den Reichen“.

Darunter setzte Pöttker die eigene Deutung: Das Foto zeige einen „Soldaten der siegreichen kambodschanischen Befreiungsbewegungen, der gegen Plünderungen vorgeht“. Später habe er sich für den „triumphalen Unterton, mit dem ich uns auf die Seite des mörderischen Regimes schlug, geschämt“, schreibt Pöttker.

Keine Einigkeit in der Militanzfrage

Auch Du Mont erinnert sich an die Sache mit maoistischen Khmer, die rund zwei Millionen Landsleute ermordeten. „Während des Indochinakrieges ging jeder davon aus, das sie das allerbeste für ihr Land wollen. Erst als sie an der Regierung waren und mit terroristischen Methoden vorgingen, hat sich der Blickwinkel geändert, mit einer gewissen Zeitverzögerung.“ Wie schnell das ging? „Bei einigen sehr schnell, andere brauchten etwas länger.“

7) Die Khmer waren ein Extremfall, aber doch die Frage, wie man es mit der Militanz hielt, war immer da. Für viele AktivistInnen war einst klar: Die unterdrückten Indigenen in Lateinamerika hätten kaum mit Unterschriftensammlungen versuchen können, CIA und Großgrundbesitzer mit zu vertreiben. Und so hielten sie den bewaffneten Kampf selbstverständlich für legitim. Andere waren grundsätzlich pazifistisch.

Die Militanzfrage war nicht die einzige Kontroverse. Auch auf die Frage, was Entwicklung eigentlich sein soll, fand die Gruppe keine eindeutige Antwort. „Um 1990 sollten alle die Frage, was sie unter Entwicklung verstehen, schriftlich auf einem Blatt Papier beantworten. Da kamen sehr kontroverse unterschiedliche Sachen raus.“ Ein Teil der Gruppe wollte die Industriegesellschaften zurückbauen – auf ein Niveau, irgendwo „zwischen Bangladesch und den USA.

8) Aus der Guerilla wurden Bürgerliche

Viele hatten erwartet, dass der Zusammenbruch des kommunistischen Ostblocks eine Zäsur für Gruppen wie das IZ3W bedeuten würde. Tatsächlich kam diese erst fünf Jahre später. Vom Realsozialismus hatte man nie viel gehalten, von den nationalen Befreiungsbewegungen umso mehr. Doch nun entwickelten sich die Guerillas in Mittelamerika zu bürgerlichen Parteien, Korruption und Repression inklusive. In Südafrika machte der ANC nach seiner Machtübernahme Schluss mit sozialistischen Ideen. „Da haben sich dann sehr viele Hoffnungen verflüchtigt“, sagt Du Mont.

Als 2004 der PLO-Führer Yassir Arafat starb, kam eine Schülerin zu Du Mont. Sie wollte „was Radikales“ über Arafat lesen. Er habe geantwortet: „Wir haben was Radikales für und was Radikales gegen Arafat. Was willst du?“ Ein Archiv müsse ganz gegensätzliche Materialien enthalten, sagt er. Auch Verabscheuungswürdiges könne historisch interessant sein. Die Gruppe wolle die Vielfalt des Materials bewahren, auch wenn es in sich widersprüchlich sei. „Und damit wollen wir auch leben.“

9) Differenzen gibt es viele, der Konsens war schmal und ist es bis heute. „Jeder von uns wird sich sicher als antirassistisch verstehen“ sagt Du Mont. Und „im Groben“ begreife man sich „als antimilitaristisch und fängt nicht plötzlich an, den Krieg zu bejubeln“. Doch im Detail ist das schwierig. Nach dem Beginn des Irakkriegs, 2004, erinnerte der iz3w-Redakteur Christian Stock an den „antiamerikanischen Konsens der Mehrheitslinken“. Daraufhin wurde ihm von Außen „Bellizismus“ vorgeworfen – und auch im Innern der Gruppe habe es „ziemlich gekracht“, so iz3w-Redakteurin Larissa Schober.

10) In den 70er Jahren war das Angebot an Subjekten der Solidarität groß. Im Zweifelsfall war man für die Unterdrückten. Heute haben nicht nur Terror und Dschihad die Sache komplizierter gemacht. „Es ist jetzt wohl leichter, die Ausnahmen der aufzuzählen, mit denen man noch solidarisch sein kann“, sagt Du Mont. Vieles gilt deutschen Linken heute nicht mehr als links. „Nordsyrien ist vielleicht eine Ausnahme.“ Doch soll man versuchen, das Assad-Regime zu stürzen? Oder lässt man das besser bleiben? Darauf haben die Aktiven im IZ3W auch keine gute Antwort. Die Schwierigkeit, eindeutig Position zu beziehen, breche „alle naselang auf“, sagt Du Mont. Zuletzt in Katalonien. „Da existieren sehr unterschiedliche Antworten drauf. Und dafür sind wir ja da, das zu dokumentieren.“

Einen Teil des Archivs hat das IZ3W bereits abgegeben, etwa an die Basler Afrika-Bibliografien. Der Rest liegt in dem gemieteten Haus in der Kronenstraße. „Ich weiß wo alle Dokumente liegen. Aber ich bin da wohl der einzige. Wenn mir eines Tages ein Blumentopf auf den Kopf fällt und ich dement werde, müsste ich das bis dahin so gestaltet haben, dass das jemand anderes recherchieren kann“, sagt Du Mont.



Поделиться:




Поиск по сайту

©2015-2024 poisk-ru.ru
Все права принадлежать их авторам. Данный сайт не претендует на авторства, а предоставляет бесплатное использование.
Дата создания страницы: 2019-05-25 Нарушение авторских прав и Нарушение персональных данных


Поиск по сайту: