Phonostilistische Mittel




9.4.1. Das Ausdruckspotential der Stimme

Jede Sprache besitzt recht viele Klangmittel, die wirksam eingesetzt werden können, um die Wirkung des Wortes zu erhöhen. Dazu gehören:

Ø die Stimme selbst, die vielseitige Informationen dem Hörer bietet:

a) über den Sprecher: über sein Geschlecht, manches über sein Alter (Kind oder Erwachsener), über das Temperament, den körperlichen und psychischen Zustand – das alles sind Aspekte, die für die Kommunikation von Bedeutung sind;

b) über die Absicht des Sprechers: will er den Hörer über etwas informieren, fordert er etwas, droht er, bittet er oder empfiehlt er etwas;

c) über seine Gefühle, sein Verhalten zum Inhalt des Textes sowie zum Hörer;

Ø Variationen der prosodischen Gestaltungsmittel: Tempo, Gliederung des Textes durch Pausen, Betonung, Lautstärke, Melodiesprünge usw.;

Ø Artikulation, die in offiziellen Situationen genauer und deutlicher ist als in inoffiziellen. Die lässige Artikulation verursacht eine größere Zahl von Lautvariationen in inoffiziellen Gesprächen im Vergleich zu den offiziellen.

Das alles sind phonetische Mittel, die jeder von uns regelmäßíg im Sprachverkehr verwendet.

 

9.4.2. Spezifische Mittel der Klangstilistik

Außer diesen weit bekannten Mitteln besitzt die Sprache besonderes phonostilistisches Potential, das in verschiedenen Fällen von den Sprechern bewusst oder unbewusst eingesetzt wird. Das sind:

1. Die Lautsymbolik – ein seit der Antike umstrittener Bereich, der jedem Laut bestimmte Wirkung zuschreibt. Laut dieser Theorie gibt es angenehme und unangenehme, weiche und harte Laute, aggressive und milde, warme und kalte, helle und dunkle usw. Laute verschiedener Qualität wirken auf das Unterbewusstsein des Hörers und beeinflussen ihn dadurch zusätzlich zum Wort. Dabei wird behauptet, dass sie leichter und schneller den Empfänger erreichen als die Worte, denn sie haben zu ihm einen direkten Zugang als Schallwellen und brauchen keine Bearbeitung durch das Gehirn.

Dieses Mittel wird gern verwendet in magischen Formeln, in der Poesie, in der Werbung, z.B.: Liebe, Licht, Leben lautet die Aufschrift auf dem Grabstein von Herder; oder: „ Zeitung zeigt Zähne “ heißt ein Artikel in dem „Handelsblatt“.

Eine eindeutige Antwort auf viele Fragen in diesem Bereich – welche Bedeutung welchen Lauten zukommt, ob die Laute überhaupt eigene Bedeutungen haben, ist diese Bedeutung universell oder spezifisch für jede Sprache – eine Antwort auf diese Fragen gibt es heute noch nicht, obwohl sich viele Forscher damit beschäftigen.

2. Lautmalerei (Onomatopoesie) werden Wörter genannt, die als Nachahmung der Naturgeräusche entstanden sind (miauen, zischen, knurren, rauschen, lallen, summen usw.) oder als Wiederholung tierischer Laute: der Wau-wau, der Kuckkuck, ki-ke-ri-ki usw. Das sind sehr alte Lexeme, sie sind vermutlich als erste Wörter menschlicher Sprache entstanden, als motivierte Sprachzeichen. Sie werden oft in der Kindersprache verwendet.

3. Phonetische Wiederholungen, die in verschiedenen Formen bestehen: Es werden Vokale oder Konsonanten, einzelne Laute oder ihre Verbindungen wiederholt. Die wichtigsten davon sind:

a) die Alliteration (der Stabreim) – Wiederholung anlautender Konsonanten in mehreren Wörtern: „ M ilka m acht m üde M änner m unter “ wirbt die Schweizer Schokolade für ihr Produkt. Bekannte Dichter machen gern davon Gebrauch:

В сяк, кто в ольно Отчизну покинул,

В олен в ыть на в ершинах в еков. (В. Набоков)

В еками, в еками, С винцовые в еки

С веркала, взводила, С меженные

Горбачусь из с ерого камня В идят

С ивилла. В сей нищенской жизни –

С винцовые в еки Лишь час в еличавый.

С межились – Из с ерого камня – гляди –

Не в ыдать. Твоя с лава. (М. Цветаева)

Wurzeln der deutschen Alliteration liegen in der altgermanischen Dichtung. Dieses phonetische Mittel hat zahlreiche Spuren in der deutschen Phraseologie hinterlassen: mit St umpf und St iel ausrotten, mit H aut und H aaren jemanden fressen, h och und h eilig versprechen, mit K ind und K egel ziehen usw.

b) Assonanz heißt in der Stilistik Wiederholung von betonten Vokalen in mehreren Wörtern: Komm, l ie bes K i nd, komm, geh mit m i r! Gar schöne Sp ie le sp ie l ich mit d i r (J.W. von Goethe).

Die Wirkung der Assonanz verbindet man oft mit Lautsymbolik – der positiven Wirkung auf unsere Psyche der vorderen Vokale und dem negativen Einfluss auf unsere Psyche der Hinterzungenvokale:

Erreicht den H o f mit Müh und N o t –

In seinen Armen das Kind war t o t. (J.W. von Goethe).

Dieser Zusammenhang muss jedoch überzeugend nachgewiesen werden.

c) Der Reim ist Wiederholung der Endsilben in den Verszeilen:

Tiefe Stille herrscht im Was ser,

Ohne Regung liegt das Meer.

Und bekümmert sieht der Schif fer

Glatte Fläche ringsum her. (J.W. von Goethe).

Werden betonte Endsilben wiederholt, so spricht man vom männlichen Reim: ´ Meer – um ´ her. Wenn unbetonte Endsilben sich reimen, entsteht der weibliche Reim: ´ Wasser – ´ Schiffer. Man findet ihn milder als den männlichen.

Den Reim nennt man rein, wenn die Laute in sich reimenden Silben völlig übereinstimmen:

Es erklingen alle Bäume

Und es singen alle Nes ter.

Wer ist der Kapellenmeister

In dem grünen Waldorches ter? (H. Heine)

Wenn das nicht geschieht, haben wir einen unreinen Reim: Was ser – Schif fer.

Gleich lautende Silben können in zwei unmittelbar nacheinanderfolgenden Zeilen liegen (aa, bb – Paarreim). Sie können durch eine Zeile voneinander getrennt sein (ab, ab – Kreuzreim). Sie können die ganze Strophe umfassen (abba – umschließender Reim) oder innerhalb der Strophe paarweise gruppiert sein (aa, bb, cc – Schweifreim).

Der Reim macht die Rede wohllautend und erleichtert dem Leser oder Hörer die Wahrnehmung des Textes. Sein Anwendungsgebiet ist die Poesie.

d) Als Versfuß bezeichnet man die rhythmische Grundlage der poetischen Rede – Wiederholung der betonten Silben nach der gleichen Zahl von unbetonten, z.B. in diesen Zeilen von H. Heine:

Wenn ´ ich an ´ deinem ´ Hause So ´ freut’s mich, du ´ liebe ´ Kleine,

Des ´ Morgens vo ´ rüber ´ geh, Wenn ´ ich dich am ´ Fenster ´ seh.

Die Silbenketten können dabei von verschiedener Länge sein. Die gebräuchlichsten sind die zwei- und dreisilbigen Versfüße.

Unter den zweisilbigen Versfüßen gibt es Strukturen mit der ersten betonten Silbe (der Trochäus):

´ Tiefe ´ Stille ´ herrscht im ´ Wasser,

'Ohne 'Regung 'liegt das 'Meer. (J.W. von Goethe)

und die mit der zweiten betonten Silbe (der Jambus):

Ich ´ ging im ´ Walde Und ' nichts zu ' suchen,

So ´ für mich ´ hin Das ' war mein ' Sinn. (J.W. von Goethe)

Zu den dreisilbigen Versfüßen gehören:

Ø der Daktylus mit der ersten betonten Silbe (´- - -):

´ Über die ' Heide ' hallet mein ' Schritt;

' Dumpf aus der ' Tiefe ' wandert es ' mit.

' Herbst ist ge' kommen. ' Frühling ist ' weit –

' Gab es denn ' einmal die ' selige ' Zeit? (Th. Storm)

Ø der Amphybrachus mit der Betonung in der Mitte (-´- -):

Ich ' weiß nicht, was ' soll es be' deuten,

dass ' ich so ' traurig ' bin;

ein ' Märchen aus ' alten ' Zeiten,

das ' kommt mir ' nicht aus dem ' Sinn. (H. Heine)

Ø der Anapäst mit der dritten betonten Silbe (- -´-):

Es er ´ klingen alle ´ Bäume

und es ´ singen alle ´ Nester.

' Wer ist der Ka' pellenmeister

In dem ' großen Waldor' chester? (H. Heine)

Die Versfüße ordnen den Redestrom und erleichtern dem Leser seine Erfassung. An den angeführen Beispielen sehen Sie aber, dass sich die Dichter nicht sehr streng an das metrische Schema in ihren Werken halten, dass sie in demselben Gedicht von einem Versfuß zum anderen wechseln können. Sie stellen die Form dem Inhalt unter.

Reim und Versfuß spielen eine große ästhetische Rolle: Sie machen den Text schön. Deshalb bleiben viele Verszeilen jahrezehntelang in unserem Gedächtnis.



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