Zur Ritterkreuzverleihung




 

Ist das denn die Tat, von der ich geträumt,

als helleres Haar mir die Schulter umsäumt?

Man hängt um den Nacken am glänzenden Band

das silberne Kreuz mir und drückt mir die Hand

und jubelt mir zu und himmelt mich an,

als hätte ich wunder wer weiß was getan.

 

Ich habe nichts weiter getan als die Pflicht.

Was qebt ihr den Schmuck unsern Toten nicht?

Ihr Toten, ich trage den Orden für euch,

mich traf nur die Kugel mit euch nicht zugleich.

Ihr wisst, dass mein Streben dem Ruhme nicht galt,

hab freilich nicht feig mich ans Dasein gekrallt.

 

Nein, das ist die Tat meines Lebens nicht.

Ich war nicht auf äußere Ehren erpicht,

wenn ich über grimmig umkämpfter Flur

quer durch der Geschosse leuchtende Spur

auf einsamer, nervenzermürbender Bahn

flog die mir befohlenen Ziele an.

 

Die Tat meines Lebens, die liegt noch im Schoß

der Zukunft und wird nicht gefeiert so groß,

die reift nicht im Lobe und Lärme der Zeit,

der liegt auch kein sichtbarer Orden bereit.

Die Tat meines Lebens ist unscheinbar klein,

wird anders wohl zu vollbringen sein.

Ich möchte für andere Wegweiser sein

und steh an der Kreuzung und grabe mich ein

und grabe mich tiefer und tiefer hinab,

bis ich den ewigen Untergrund hab.

Dann stehe ich fest im Sturme der Zeit,

ein Weiser zur wahren Unsterblichkeit.

 

Vor der Flucht

 

Ich find keinen Schlaf

und ich sinne nach Haus.

Herr, hilf mir aus diesem Käfig heraus

doch mach es, wie dir es gefällt.

Ach, so dunkel die Nacht

und mein Volk in der Acht

und wir finden kein Recht auf der Welt.

 

Am stachlichten Draht,

da glitzert der Reif.

Dem Posten dort

frieren die Finger schon steif,

er hustet an seinem Gewehr.

Und die Nacht ist so lang,

doch ich geh meinen Gang,

sonst seh ich die Heimat nicht mehr.

 

Der Schnee ist so tief

und der Weg ist so weit

und die Sprache so fremd

und so lieblos die Zeit

und der Hunger sitzt uns im Genick;

und die Nacht ist so kalt,

doch ich wage es bald.

In die Heimat, Herr, hilf mir zurück.

 

Kowel, 29.12.1945

 

 

Orion

 

Orion flimmert im Osten.

Der Osten lässt mich nicht los.

Dort flog ich. Nun muss ich da rosten

und nähre die Sehnsucht groß.

 

Orion leuchtet im Süden.

Ich wollt, er nähme mich mit,

doch weiß ich, ich würde ermüden

bei seinem gewaltigen Schritt.

 

Orion erstrahlt nun im Westen.

O grüß mir die Heimat so fern

und sei allen glücklosen Gästen

der Erde ein tröstender Stern.

 

Könnt ich deinen Mantel ergreifen

am untersten Saum nur, sogleich

würd ich über Lande hin schweifen,

bis ich meine Liebsten erreich.

 

Orion, bei eisigen Winden

nur zeigst du dein herrliches Bild.

Ich kann deine Spuren nur finden

auf winterlichem Gefild.

 

Du baust über Sümpfe und Seen

mir Brücken aus blinkendem Eis;

darüber werde ich gehen,

wenn ich mich gerufen weiß.

 

Kowel, 3.1.1946

 

 

Verraten?

 

Den breiten Glauben an den Sieg

hat Stalingrad erschüttert.

Wer weiß, was Hitler uns verschwieg!

uns wird der Blick vergittert.

 

Was ist mit jenen wohl geschehn,

die wir gefangennahmen?

Die Heimat lebend wiedersehn,

war ihr Gebet und Amen!

 

Was hat den Letten man getan,

die jubelnd uns empfingen?

Warum fangen sie heute an,

uns Deutsche umzubringen?

 

Was soll der Stern am Judenkleid?

Dies Volk hat doch so Großes

geleistet seit Urväterzeit,

seit Abraham und Moses!

 

Und keine Antwort. Schon allein

das Fragen ist Verbrechen.

Doch brockte man uns Unrecht ein,

wird sich das grimmig rächen.

 

Ists etwa Angst vor Rache dann,

dass Hitler uns Soldaten

verheizen möchte Mann für Mann?

Könnt er uns so verraten?

 

Polangen, Oktober l944

 

 

Dein Typ

 

Du hast mich als dein Aug ersehen,

geschaffen mich als deinen Mund,

dein Fuß ist es, mit dem ich gehen

und wandern darf ums Erdenrund.

 

An meinem Glück willst du dich weiden

krümmst dich in meinem Schmerze mit;

in meinen Typ willst du dich kleiden,

ich bin dein Traum und Wolkenritt,

 

ein Ausbund deines Abenteuers,

in deinem Lied ein stolzer Vers,

ein Funke deines Sternenfeuers,

ein Tropfen deines Weltenmeers.

 

Was nur hat dir an mir gefallen,

dass du zu deinem Ebenbild

mich mit so vielen andern allen

hast ausersehn und deinen Schild

 

so sichtbar Über mir gehalten

in Kugelhagel und Gefahr?

Ich kann nur still die Hände falten

und dir lobsingen immerdar.

 

Nürnberg, Mai 1989

 

 

Befreiende Frühe

 

Endlich! Es tagt und ich fühl

mich beseligend freier,

Zukunft verliert ihren Schleier,

Schemen gewinnen Profil.

 

Pläne werden nun reif,

und der flügge Gedanke

steigt über Hürde und Schranke

wie ein entfesselter Greif.

 

Wie ein Falke zur Jagd

recke ich kraftvoll die Schwingen,

Flügelschläge gelingen,

und, was riskant und gewagt

 

mir noch erschien in der Nacht,

löst sich leicht wie im Spiele.

In überzeugendem Stile

wird mein Erdachtes vollbracht.

 

Vent / Ötztal, Sept. 1979

 

 

Glatter Abschluss

 

Wenn es dem Iwan je gelingt,

mein Leben zu verkürzen,

auf Feindgebiet nicht unbedingt

möcht ich zu Boden stürzen.

 

O bliebe dir durch Gottes Gnad

erspart, noch zu ertragen,

mein Lieb, das schlimme Wechselbad

von Hoffen und Verzagen.

 

Vermisstennachricht tauchte dich

in jahrelange Qualen.

Dann lieber gleich ein glatter Strich

als Abschluss der Annalen.

 

Noch leben wir, ich hier, du dort

in notgetrennter Ehe.

Wer jagt die schwarzen Geier fort

aus fürchterlicher Nähe?

 

 

Vorahnung

 

Leiden muss ich mit euch Polen.

Unser Marsch in fremdes Land

vergewaltigt unverhohlen

euer Volk mit rüder Hand.

 

Finster starren eure Augen,

so, als käm mit uns die Pest.

Hasserfüllte Blicke saugen

sich an unsern Rädern fest.

 

Die zwar rollen unbekümmert

über Zaun und Gräben hin;

doch was diese Fahrt zertrümmert,

will mir nicht mehr aus dem Sinn.

 

Furcht ich doch, wir Überwalzen

unsern guten deutschen Ruf

und verliern mit Zungenschnalzen,

was einst Fleiß und Anstand schuf

 

Lasst das Schnalzen, Kameraden,

denn man hat uns aufgehetzt.

Unsres Übermutes Schaden

spürn wir selber einst zuletzt.

In den Flüchtenden dort drüben

auf zertrampeltem Gefild

seh ich ahnend meines lieben

eignen Volkes Zukunftsbild.

 

Skierniewice, 13.9.1939

 

 

Durch Engelsmund

 

Dem Bereich moderner Sklaverei

ließest, Herr, du gnädig mich entrinnen

und an hundert Fährnissen vorbei

einen Atempauseort gewinnen.

 

Minenfelder liegen noch vor mir.

Vater, hilf, bevor ich sie bezwinge,

dass zu meinen Lieben hin von hier

irgendwie ein Lebenszeichen dringe.

 

Weißt doch, wie sich Mutter um den Sohn

Sorgen macht, wie, hin- und hergerissen

zwischen Mut und Resignation,

meine Gattin tappt im ungewissen.

 

Briefe an ein Haus, das abgebrannt,

und an Menschen, die im Sturm verschollen,

schrieb ich, blinde Vögel, die ein Land

hinter Ozeanen suchen sollen.

 

Tu's den Meinen, Herr, im Traume kund,

dass die Heimkehr mir bis hier gelungen,

hast ja andern auch durch Engelsmund

segensreiche Botschaft schon gesungen.

 

Mittelpogobien, 14. März 1946

 

 

Gewollt und geliebt

 

Uhren bleiben einmal stehen,

auch mein Pulsschlag wird vergehen,

doch solang mir Blut durch Adern rollt,

dank ich, dass im Strom der Gnaden

lebenslang ich durfte baden,

meinem Schöpfergott, der mich gewollt.

 

Der mich wollte, der mich liebte,

der, wenn sich der Himmel trübte,

mir den Weg zu Licht und Tröstung wies,

der mich keinmal, wenn Gefahren

hautnah hergewirbelt waren,

vor der Zeit ins Dunkel fallen ließ.

 

Dass Freund Hein mich stets umkurvte

und ich Überleben durfte,

so, als wär ich wundersam gefeit,

ist ein individuelles

Spiel des Möglichkeitsgefälles,

wahrer Akt der Unwahrscheinlichkeit.

 

Kleeberg/Allenstein, Juni 1946

 

 

Der Betrug

 

"Lieb Vaterland, ich weihe

Dir meine junge Kraft

und trete in die Reihe

der jungen Ritterschaft.

 

Es gilt, das deutsche Leben

aus seiner Dunkelheit

an Sonnenlicht zu heben,

allzeit zum Kampf bereit."

 

Dies Treugelübde münzte

man um zum Fahneneid.

Der große Feldherr grinste

und rüstete zum Streit.

 

Und wie man Angriffskriege

als reine Abwehrschlacht

vertarnt mit einer Lüge,

hat er gekonnt gemacht.

 

So, meisterlich betrogen

und heuchlerisch geführt,

sind wir ins Feld gezogen

und heldenhaft marschiert.

 

Schwarze, August 1946

 

 

Die letzte Klippe

 

Wie ein Kind den Rettungssprung

von dem Dache eines hohen

Hauses mit entschlossnem Schwung,

wenn die Flammen ringsum drohen,

in des Vaters Arme wagt,

so hab ich aus Stacheldrähten

Russlands, halb schon totgesagt,

meinen Fluchtweg angetreten.

 

Treulich hat mich Gottes Hand

bald getragen, bald gehalten,

als ich glückhaft Überwand

Mauern, Fallen, Flusseisspalten.

Doch zuletzt wars um ein Haar

mit der ganzen Heimkehr Sense.

Bäuchlings robbend, nur ein paar

Meter vor der Zonengrenze,

 

war ich der Erstarrung nah,

als im ersten Morgendämmern

ich zwei Posten vor mir sah.

Da begann mein Herz zu hämmern

bis zum Hals so Überlaut,

dass mirs schien, sie müsstens hören;

doch hat keiner hergeschaut,

wie um nicht vorm Ziel zu stören.

 

Thurnau, August 1946

 



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